Nach dem Sonderbericht des Weltklimarats IPCC vom August 2019[1] gehen 23% der aktuellen menschengemachten → Treibhausgasemissionen auf Landwirtschaft, Forstwirtschaft und andere Landnutzung zurück. Wenn jedoch alle Elemente, z.B. Inputs, Infrastrukturen usw., sowie alle Aktivitäten, z.B. Verarbeitung, Verteilung und Transport usw., des globalen Ernährungssystems einbezogen werden, liegen die Emissionen sogar bei einem Anteil von 37%.
Weltweit ist der Großteil der Emissionen aus dem Lebensmittelsystem durch die Tierhaltung verursacht[2]. Besonders die Änderung der Landnutzung, wie die Entwaldung für den Anbau von Futtermitteln oder für die Nutzung als Weideland, treiben den Klimawandel voran. Auch die Degradierung der Böden selbst und die Herstellung und Verwendung von → chemisch-synthetischen Düngemitteln stoßen enorme Mengen an → Treibhausgasen in die Luft. Der größte Teil der weltweiten Methan- sowie Lachgasemissionen gehen ebenfalls auf das Konto der Tierhaltung, zum Beispiel durch das Ausbringen von tierischen Exkrementen oder die Abbauprodukte aus der Verdauung von Wiederkäuern[3].
Das aktuelle Modell der industriellen Landwirtschaft ist zudem für enorme soziale Ungleichheit und menschliches Leid hier und weltweit verantwortlich: Vertreibung von Kleinbäuer*innen und Indigenen von ihrem Land für den Anbau von großen → Monokulturen (Landgrabbing), Pestizidvergiftungen, sowie Mangelernährung und Hunger aufgrund der ungleichen Verteilung von Produktionsmitteln, wie Land und Wasser.
Damit die Emissionen aus der Land- und Forstwirtschaf deutlich sinken, Boden und Wälder wieder zur natürlichen Treibhausgassenke (→ Senke) werden und soziale Gerechtigkeit gestärkt werden kann, braucht es eine radikale Neuorientierung der → Agrarpolitik. Doch wir sind mit einem Prozess der Machtkonzentration im Agrar- und Lebensmittelsektor konfrontiert. So dominieren bspw. sechs Unternehmen die weltweite Produktion von Pestiziden und Saatgut. Zudem werden internationale Handelsabkommen, → Subventionssysteme und Gentechnikgesetzgebungen größtenteils ohne Mitspracherechte der unmittelbar davon Betroffenen verabschiedet.[4]
Wir halten es daher für wichtig uns an dem politischen Konzept der → Ernährungssouveränität zu orientieren. Unter Ernährungssouveränität verstehen wir, in Anlehnung an die Deklaration von 2007 beim Nyéléni-Forum in Mali[5], das Recht der Menschen ihre eigenen Lebensmittel- und Agrarsysteme demokratisch zu gestalten, ohne dabei anderen Menschen oder der Umwelt zu schaden. Dies erfordert den Aufbau von demokratischen Systemen und Verfahren, die frei von Gewalt und dem Einfluss von Konzernen sind und auf den gleichen Rechten aller sowie auf Geschlechtergleichheit basieren.
Die Agrarökologie wiederum ist ein wissenschaftlich fundiertes Konzept, das zugleich auf ökologischen Prinzipien, dem Ansatz der Ernährungssouveränität und dem Recht auf angemessene Ernährung basiert. Diese wird von sozialen Bewegungen, wie die internationale Kleinbauernbewegung La Via Campesina, eingefordert. Bäuer*innen, Verarbeiter*innen und Verbraucher*innen sind die Protgagonist*innen einer sozial gerechten und ökologisch nachhaltigen Umgestaltung der Agrar- und Ernährungssysteme. Gemeinsam können förderliche politische Rahmenbedingungen erkämpft werden. [6]