Reduktion von Erwerbsarbeitszeit
Was ist das Problem?
Auf der einen Seite wird in den nächsten Jahren eine zunehmende Digitalisierung und Automatisierung in vielen Bereichen vorhergesagt. Dies würde bei ausbleibendem Wirtschaftswachstum und gleichbleibenden Arbeitszeiten einen starken Anstieg der Arbeitslosigkeit bedeuten.
Gleichzeitig ist Arbeitslosigkeit nur dann ein Problem, wenn sie mit ungenügender Absicherung einhergeht sowie mangelnden gesellschaftlichen Teilhabemöglichkeiten bzw. Möglichkeiten, bedürfnisorientiert tätig zu werden. Der Aufbau Commons-basierter Peer-Produktion (siehe → Commons) und neuen Formen des Habens, wodurch der ökologisch nicht verträgliche Wachstumszwang gebrochen wird, stellt eine lebendige Alternative hierzu dar. Doch auch hierdurch wird Erwerbsarbeitszeit abgebaut. Ein ökologisch orientierter Strukturwandel mit mehr sozialen Dienstleistungen anstelle von Güterproduktion führt zwar kurzfristig wieder zu mehr Arbeitszeit, doch gerade in diesen Bereichen ist die Abkehr von der Logik der Konkurrenz besonders dringlich.
Was ist die Maßnahme?
Bei abnehmendem oder stagnierendem Erwerbsarbeitsvolumen einer Gesellschaft jenseits des Wachstums könnte die individuelle Arbeitszeit verkürzt werden, um allen die Option auf Erwerb einerseits und eine Work-Life-Balance, sowie Zeitsouveränität andererseits zu ermöglichen.
Wie kann die Umsetzung aussehen?
- Reduzierung der Arbeitswoche auf mindestens 32 Stunden. Entwicklung von Programmen, die Firmen und Organisationen bei der Umsetzung von Job-Sharing unterstützen. Die dadurch entstehenden Einkommensverluste dürfen nur die 10% der höchsten Einkommen belasten.
- Eine Entlastung des Faktors Arbeit in den Lohnnebenkosten insbesondere für niedrige und mittlere Einkommen v.a. durch eine anderweitige Finanzierung der Sozialversicherungssysteme (beipielsweise durch höhere Besteuerung von Naturverbrauch und Umverteilung) und durch geringere Steuern auf niedrige Einkommen.
- Finanzielle Anreize zur Einführung kurzer Vollzeit mit Lohnausgleich für untere und mittlere Einkommen
- Stärkere rechtliche Ansprüche auf Teilzeitarbeit oder Sabbaticals mit garantierten Rückkehrmöglichkeiten und Job-Sharing.
Wie wird damit dem Klimawandel entgegengewirkt bzw. wie werden damit ökonomische Rahmenbedingungen geschaffen, die wirksame Klimaschutzmaßnahmen unterstützen?
Da Wirtschaftswachstum immer mit steigenden Emissionen und steigendem Ressourcenverbrauch einhergeht, im bestehenden System aber notwendig ist, um unter anderem durch Rationalisierung und Digitalisierung wegfallende Arbeitsplätze auszugleichen, hilft diese Maßnahme dabei, auch in einer nicht mehr wachsenden oder schrumpfenden Wirtschaft Arbeitsplätze sozial gerecht zu erhalten.
Bezüge zu anderen Maßnahmen
Sozial gerechte Umverteilung und Daseinsvorsorge und Bedingungsloses Grundeinkommen befördern Arbeitszeitverkürzung und Zeitsouveränität. Flankierende ökologische Obergrenzen und eine ökologische Steuerreform erschweren die Nutzung der freigewordenen Zeit für materiellen Konsum, finanzielle und infrastrukturelle Absicherungen befördern Zeitsouveränität und die demokratische Gestaltung der Gesellschaft.
Probleme sozialer, globaler oder Generationengerechtigkeit
Solange es zu keiner grundsätzlichen Änderung der Arbeitswelt kommt, entstehen im Arbeitsprozess weiterhin nicht-gewollte Verteilungswirkungen zwischen arm und reich, sowie zwischen nationalen Wettbewerbsstaaten. Gleichzeitig bleibt der Wachstumszwang bestehen, weshalb keine Generationengerechtigkeit möglich ist. Nicht zuletzt aus Gründen der Gerechtigkeit braucht es parallel zur Reduktion von Erwerbsarbeitszeit den parallelen Aufbau von → Commonsschaffender Peerproduktion.
Weiterführende Literatur, Quellen
- Schmelzer, Matthias & Vetter, Andrea (2019): Degrowth/Postwachstum zur Einführung.
- Research & Degrowth: Ye, We Can Prosper Without Growth (2015, abgerufen am 2.3.2020) https://degrowth.org/2015/05/15/yes-we-can-prosper-without-growth/