Unterstützen
Gerechte Reproduktion, Produktion und Konsumtion

Stadt-Land Gefälle ausgleichen

Was ist das Problem?

  • Grundsätzlich ist zu fragen, wie Landschaft zukünftig genutzt werden soll. Dabei stehen sich der Ansatz der Integration ("Land Sharing") und der Trennung ("Land Sparing") von bewirtschafteten und geschützten Landschaftsflächen gegenüber. Gleiches kann auch für das gesellschaftliche Leben gefragt werden – die aktuelle Landflucht birgt die Gefahr, dass lebenswichtige gesellschaftliche Aufgaben wie Nahrungsmittelerzeugung und Energieerzeugung internationalen Konzernen überlassen werden.
  • Die Konzentration lebenswichtiger und zur gesellschaftlichen Teilhabe relevanter Infrastruktur (medizinische Versorgung, Jobs, Bildungseinrichtungen, Kinderbetreuung, Pflegeeinrichtungen, Dateninfrastruktur, Kulturangebot) ist im ländlichen Raum weniger verfügbar als in urbaner Umgebung. Somit sind ländliche Gemeinden sowie ländliche Arbeitsplätze, u. a. in der Landwirtschaft, weniger attraktiv. Ein fortschreitender Bevölkerungsrückgang aus ländlichen Regionen ist die Folge.
  • Klamme Gemeinden bauen entweder ihre Gewerbegebiete aus oder vergeben – je nach Region – Bauland und befördern damit die Zersiedelung. Ein hoher Flächenverbrauch und Versiegelungsgrad hemmt wichtige Bodenfunktionen und Zersiedelung führt zur schwächeren Auslastung von Infrastruktur.
  • Speziell Regionen, die durch eine bestimmte Branche oder ein Unternehmen dominiert werden, sind durch die beschränkten Möglichkeiten bei der Wahl des Arbeitsplatzes in der zukunftsfähigen Entwicklung gelähmt.
  • Mangelnde Möglichkeiten öffentlicher Mobilität in ländlichen Regionen wird oft durch Individualverkehr kompensiert (und Anreize hierfür wie die Pendlerpauschale) bzw. führt zu weiterem Wegzug aus den schlecht angebundenen Regionen.
  • Rückgang von Einzelhandel und lokalen Familienunternehmen im ländlichen Raum durch Konkurrenz, stattdessen oftmals einzige Versorgungsmöglichkeiten bei Ketten wie Lidl etc., welche triste, begegnungsfeindliche Dorfzentren darstellen.
  • Insbesondere (gut ausgebildete) jüngere Menschen verlassen ländliche Räume, demographische Auswirkungen erhöhen den Druck auf ländliche Kommunen.
  • Veränderungen in der Sozialstruktur sowie Rückgang von Versorgungs-/ Begegnungsmöglichkeiten auf dem Land bieten, verstärkt in ostdeutschen Bundesländern, einen Nährboden für politische Mobilisierung von rechten Kräften.
  • Das Statistische Bundesamt erwartet bis zum Jahr 2050 einen gesamtdeutschen Einwohnerrückgang von zwölf Millionen Menschen – davon betroffen vor allem die ländlichen Regionen. Insgesamt ist zu fragen, ob Städte durch den verstärkten Zuzug nicht an Attraktivität verlieren. Ein Ausbau der ländichen Infrastruktur könnte auch die städtische Wohnraumproblematik und Überlastungen von ÖPNV- und Betreuungssystemen positiv beeinflussen.
  • Kleinteilige kommunale Strukturen bevölkerungsarmer Gemeinden sind aktuell finanziell kaum handlungsfähig und deshalb vom Kreis, vom Land und von Förderprogrammen abhängig. Damit schwindet die Verantwortlichkeit für die eigene Entwicklung, weil die Schuld für kritische Entscheidungen und knappe Mittel den übergeordneten Instanzen zugeschrieben werden kann. Eine Transformation von Infrastruktur und Lebensbedingungen wird so nicht begünstigt.
  • Ein verstärkter Zuzug in die Städte erhöht dort die Konkurrenz auf dem Arbeits- und Wohnungsmarkt, es findet eine Verdrängung einkommensschwacher/ als unproduktiv deklarierter Bevölkerungsgruppen statt.
  • Segregation (Ausschluss von Minderheiten) sowohl innerhalb der Städte als auch zwischen Stadt und Land ist die Folge.
  • Die Zentralisierung von Menschen und Prozessen in Städten führt zu einer zunehmenden Abhängigkeit von industrieller Massenproduktion und unökologischen/ ungerechten globalen Versorgungsketten.
  • Aufgrund von Landflucht und Landgrabbing durch Großkonzerne werden Nahrungsmittel auf immer größeren Flächen in industrieller Weise erzeugt. Bodenerosion und agrarökologische Wüstenbildung sowie Grundwasserbelastung durch Nitratauswaschung bei gleichzeitigem Entzug von Nährstoffen sind die Folge.

Was ist die Maßnahme?

  • Dezentralisierung und Kommunalisierung von Produktion und Konsumtion.
  • Schließen von regionalen Kreisläufen.
  • Dem Stadt-Land-Gefälle entgegenwirken.
  • Ländlicher Strukturwandel (z. B. in Braunkohleregionen) muss demokratisch und nah an den Bedürfnissen der Bevölkerung gestaltet werden.
  • Entscheidungen der Regionalentwicklung müssen zukunftsfähig, flexibler und demokratischer werden.
  • Hochschulen im ländlichen Raum können als Vermittler für die Lösung regionaler und lokaler Probleme (z. B. Bildung, Stadtplanung, Transport, Gesundheit, nachhaltige Entwicklung, Wirtschaft) wirken.
  • Gemeinden sollten Konzepte zur Flächenentwicklung vorlegen, die eine Verdichtung anvisieren und damit Zersiedelung entgegenwirken. So können Ressourcen und Infrastruktur langfristig genutzt werden und zukunftsfähige soziale Entwicklungen begünstigt werden.

Wie kann die Umsetzung aussehen?

  • Aufbau kostenloser öffentlicher klimafreundlicher Verkehrsnetze (z. B. Förderung von kommunalen E-Carsharing-Projekten) innerhalb und zwischen ländlichen Kommunen, sowie Anbindung an Städte.
  • günstiger Wohnraum durch die Renovierung von leerstehenden Bauten (geförderte Vermietung von Leerständen durch Gemeinden), Förderung von Mehrgenerationenprojekten und innovativen Wohnlösungen.
  • Nutzung von nachwachsenden Ressourcen aus der Region fördern (z. B. Verwendung von Holz bei Bauvorhaben).
  • Hinsichtlich der andauernden Versiegelung[1] bietet sich eine Kreislaufwirtschaft für Flächen an, die Umwandlung und Recycling einschließt. Angesichts der klammen öffentlichen Kassen müssen Kosten-Nutzen-Analysen eingeführt werden, unter Berücksichtigung der absehbaren Bevölkerungsentwicklung. Es bedarf neuer beziehungsweise veränderter ökonomischer Instrumente (zum Beispiel im kommunalen Finanzausgleich, im Grundsteuerrecht und Baulandsteuerrecht, durch handelbare Flächenzertifikate), Entsiegelungskonzepte und Renaturierungskonzepte, Management für Brachflächen, Verkehrsberuhigung sowie vieles mehr. Instrumente, die dem Flächenschutz zuwiderlaufen, sind abzuschaffen.
  • Auf-/Ausbau von Versorgungs-/Begegnungsstrukturen im ländlichen Raum.
  • Förderung von Einzelhandel und kleinen ökologischen, landwirtschaftlichen Betrieben (In Österreich ist z. B. eine Nahversorgungsprämie zur Unterstützung der Ortskerngestaltung im Gespräch).
  • Ausbau von "Green-Care-Angeboten".
  • Stärkung innovativer Vermarktungsstrukturen und solidarischer Landwirtschaftskonzepte.
  • niedrigschwellige finanzielle Förderung von regionaler Produktion/ Konsumtion.
  • Anreize für lokale Unternehmensgründung: kreislaufbasiert, genossenschaftlich, gemeinwohlorientiert.
  • Bezüglich der Problematik der finanziellen Unterstützung des Wandels ländlicher Kommunen ist eine Bildung vor Großgemeinden empfehlenswert, die jedoch gleichzeitig mehr Entscheidungsbefugnisse und mehr finanziellen Spielraum erhalten müssen. Die Großgemeinden sollten dann selbst die Entscheidungen darüber treffen, wo innerhalb ihrer Grenzen Infrastruktur vorgehalten, wo Baugenehmigungen erteilt und wo nicht mehr investiert wird. Diese Verantwortung erleichtert eine Konzentration von Investitionen auf zukunftsfähige Dörfer und Projekte, wobei gleichzeitig das Mitspracherecht der Bürger*innen vor Ort und deren Vertreter in der Großgemeinde gestärkt wird.
  • Eine „Stiftung Ländlicher Raum“ könnte sowohl staatliche Mittel als auch Mittel privater Stiftungen bündeln, um kreative und risikofreudige Transformationsideen „von unten“ zu fördern, statt sie „von oben“ vorzugeben.
  • Aufbau lokaler basisdemokratischer Gremien/ Räte, die über örtliche Produktion/ Komsumtion/ Strukturaufbau (mit-)entscheiden.

Wie wird damit dem Klimawandel entgegengewirkt?

  • Dezentralisierung und Lokalisierung wirkt zahlreichen klimaschädlichen Prozessen entgegen.
  • Massenproduktion von Lebensmitteln und Konsumgegenständen wird eingedämmt, Transportwege selbiger gekürzt, Demokratisierung und Lokalisierung der Produktion reduziert voraussichtlich den Einsatz klima-/gesundheitsschädlicher Mittel und Stoffe.
  • Ausbau öffentlicher Verkehrsmöglichkeiten sowie Aufbau von Arbeitsplätzen, Strukturen etc. vor Ort reduzieren Schadstoffausstoß: Wege werden kürzer, weniger Individualverkehr etc..
  • Verhinderung von Versiegelung und die Wiederverwendung alter Bausubstanz verringert baubedingte Emissionen (insbesondere die Klimawirkung der Zementproduktion).

Welche anderen Effekte hat die Maßnahme?

  • Wirkt Segregation von Bevölkerungsgruppen entgegen.
  • Fördert den Aufbau lokaler Gemeinschaften anstelle von zunehmender großstädtischer Anonymität bzw. ländlicher Isolation.
  • Anbindung, gesellschaftliche Teilhabe und Einbindung in Entscheidungsprozesse vor Ort fördern ein solidarisches demokratisches Bewusstsein.
  • Ökologisch sinnvolle Wiederverwendung von Materialien.

Weiterführende Literatur, Quellen

  1. Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit: Flächenverbrauch – Worum geht es? (2019, abgerufen am 2.3.2020) https://www.bmu.de/themen/nachhaltigkeit-internationales/nachhaltige-entwicklung/strategie-und-umsetzung/reduzierung-des-flaechenverbrauchs/
  2. BUNDESMINISTERIUM FÜR LAND- UND FORSTWIRTSCHAFT, UMWELT UND WASSERWIRTSCHAFT: Masterplan ländlicher Raum. Aufschwung für den ländlichen Raum (2017, abgerufen am 2.3.2020) https://forumregiosreisach.at/wp-content/downloads/MASTERPLAN-Ansicht.pdf
  3. Hans Joachim Kujath, Peter Dehne, Axel Stein: Wandel des ländlichen Raumes in der Wissensgesellschaft (2019, abgerufen am 2.3.2020) https://doi.org/10.2478/rara-2019-0042
  4. Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung: Die Zukunft der Dörfer. Zwischen Stabilität und demografischem Niedergang (2011, abgerufen am 2.3.2020) https://www.berlin-institut.org/fileadmin/user_upload/Doerfer_2011/Die_Zukunft_der_Doerfer_Webversion.pdf

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