Demokratisierung der Wirtschaft
Was ist das Problem?
Wirtschaft als von Natur aus nicht als zur Gesellschaft gehörend zu begreifen, macht deren demokratische Regulierung weitgehend unmöglich. Durch ihre Trennung von Politik und Alltag werden in der Ökonomie Handlungsweisen als rational angesehen, die ansonsten nicht den Werten der Gesellschaft entsprechen. Darüber hinaus gelten somit ökologische Schäden und soziale Ungerechtigkeiten als Kollateralschäden eines als naturhaft angesehenen Wirtschaftssystems, die allenfalls durch regulierendes Eingreifen abgemildert werden können. Zentral ist zudem die Unterscheidung von Real- und Finanzwirtschaft, wobei der gemeinschaftliche Nutzen letzterer grundsätzlich in Frage zu stellen ist. Eine Demokratisierung der Wirtschaft muss die Finanzwirtschaft in jedem Falle mit einbeziehen und deren Regulierung ermöglichen bzw. über deren Fortbestehen und Form entscheiden. Viele Bereiche der Finanzwirtschaft stehen einer globalen Gerechtigkeit diametral entgegen: Die Spekulation von Lebensmitteln an der Börse ist hierfür eines der offensichtlichsten Beispiele: teils gravierende Preissteigerungen von Lebensmitteln in einkommensschwachen Ländern insbesondere im globalen Süden führen zu zunehmender Prekarisierung sowie Mangelernährung und Hunger bis hin zum Tod zahlreicher Menschen. Gravierende Folgen von Austeritätspolitiken und Sparmaßnahmen aufgrund von Kreditauflagen des IWF sind ein weiteres Beispiel problematischer Maximen der Finanzwirtschaft sowie der Notwendigkeit ihrer Demokratisierung.
Was ist die Maßnahme?
- Ausweitung basisdemokratischer Aushandlungs- und Entscheidungsstrukturen und -rechte auf alle Bereiche der Wirtschaft.
- Absicherung der demokratischen Teilhabe an Entscheidungen durch zeitliche Ressourcen und materielle Abgesichertheit und Unerpressbarkeit der Menschen
- die Wirtschaft als zentraler Bereich des zwischenmenschlichen Zusammenlebens und Interaktion muss Bestandteil demokratischer Entscheidungsfindung sein
- grundsätzlich sollten alle Prozesse und Entscheidungen von den Menschen bestimmt bzw. gefällt werden, welche von diesen direkt oder indirekt betroffen sind
- eine Demokratisierung der Wirtschaft sollte daher entweder die Einbindung aller an der Produktion und Konsumtion beteiligten und von deren Folgen betroffenen Menschen (globalen Orten bzw. Ketten von Extraktion, Produktion, Lieferung und Konsumtion entsprechend müssten Demokratisierung/ Entscheidungsprozesse global stattfinden) oder aber die Relokalisierung dieser Prozesse auf die Ebene bringen, auf welcher demokratische Entscheidungsfindungen stattfinden können (national oder besser noch regional)
Wie kann die Umsetzung aussehen?
Basisdemokratische Teilhabe von allen Beteiligten auf allen Ebenen werden ermöglicht: durch Sicherung der dazu nötigen Entscheidungsstrukturen und formalen Entscheidungsrechte ebenso wie durch ausreichende bedingungslose materielle und zeitliche Absicherungen der Menschen.
Probleme sozialer, globaler oder Generationengerechtigkeit
Das oben Genannte gilt explizit auch für Gruppierungen im → globalen Süden, die von der Nutzung von Rohstoffen bzw. von Produktionsprozessen betroffen werden. Wichtig für eine erfolgreiche Demokratisierung der Wirtschaft ist, dass alle Menschen ausreichend Zeitressourcen für demokratische Prozesse haben und deren Existenz und Teilhabe bedingungslos und ausreichend gesichert ist, sie also auch nicht materiell erpressbar sind (z. B. durch Arbeitsplatzargumente oder durch soziale Not infolge von notwendigen Umgestaltungen der Wirtschaft und Produktion).
Weiterführende Literatur, Quellen
- Hanna Ketterer und Karina Becker (Hrsg.) (2018): Was stimmt nicht mit der Demokratie? - Eine Debatte mit Klaus Dörre, Nancy Fraser, Stephan Lessenich und Hartmut Rosa
- Katja Kipping: Grundeinkommen als Demokratiepauschale (abgerufen am 2.3.2020) https://www.katja-kipping.de/de/article/1223.grundeinkommen-als-demokratiepauschale.html
- Bauman, Zygmunt (2000): Die Krise der Politik. Fluch und Chance einer neuen Öffentlichkeit, Hamburg.