Erneuerbare Energien nicht auf Kosten von Menschen und Umwelt
Was ist das Problem?
Der Energiesektor trägt mit 25% der weltweiten Treibhausgasausstöße am stärksten zum Klimawandel bei. Deshalb ist die Umstellung von fossilen auf erneuerbare Energien zur Erreichung der Ziele des Pariser Abkommens unerlässlich. Bei näherem Hinsehen zeigt sich jedoch, dass viele erneuerbare Energien katastrophale soziale als auch ökologische Konsequenzen haben. Einige Beispiele von Projekten erneuerbarer Energieerzeugung sollen aufgezeigt werden, welche im globalen Süden realisiert werden und eben genannte negative Folgen mit sich bringen .
Staudammprojekte
Wasserkraft erlebt weltweit einen Boom in Form von riesigen Staudämmen. Viele Regierungen sehen sie als notwendige und wichtige Technologie für die Energiewende. In der International Hydropower Association(IHA) organisieren sich Konzerne und Investor*innen aus aller Welt, die im Geschäft mit der Wasserkraft aktiv sind. Auf dem Kongress der IHA, der im Mai 2017 in Addis Abeba stattfand, bezogen sich viele Diskussionen sowohl auf die UN-Ziele für eine nachhaltige Entwicklung (SDG) als auch das Pariser Klimaabkommen. Beide beinhalten die Verpflichtung, den Zugang zu Elektrizität und Wasser unter Berücksichtigung des Klimawandels zu verbessern und die Wasserkraftindustrie ist darum bemüht, ihreTechnologie als Lösung beider Probleme darzustellen.[1]
Es gibt jedoch weltweit viele Fälle die belegen, dass Wasserkraftprojekte zu Menschenrechtsverletzungen führen: Menschen werden vertrieben, verlieren ihre Ackerflächen und somit den Zugang zu ausreichender Nahrung. Außerdem belegen Studien, dass großflächige Stauungen von Flüssen eher klimaschädlich als zuträglich sind. Die überschwemmten Pflanzen verrotten. Dadurch entstehen zum Teil genauso viele Treibhausgase wie beim Verbrennen fossiler Energie.
Wasserkraftprojekte in Brasilien:
Das Wasserkraftwerk Belo Monte ist ein wichtiges Infrastrukturprojekt der Regierung. Es soll Entwicklung für die Region bringen, Energiesicherheit des Landes verbessern sowie einen Beitrag zum Klimaschutz leisten. Die lokale Bevölkerung ist auf verschiedene Weise durch den Bau der Staumauern betroffen: Siedlungen werden geflutet und Fischgründe zerstört, eine wichtige Lebensgrundlade der ansässigen Bevölkerung ( zur der verschiedene indigene Gruppen gehören). Es gab zudem keine Konsultation und Entschädigungen wie es die ILO-Konvention 169 vorsieht. Viele indigene Gemeinschaften haben bereits gegen das Projekt geklagt. Schließlich ist der Strom, der produziert wird, nicht für die umliegenden Ortschaften bestimmt (wo viele ohne Stromanschluss leben), sondern wird in die urbanen, wirtschaftlichen Zentren Brasiliens geleitet. Bezogen auf die Wasserkraftprojekte gibt es bei den Beteiligten neben der Energieerzeugung, auch das Motiv kostengünstige Transportwege von Rohstoffen zu schaffen. So wird das Staudammprojekt am Tapajós den Anbau von Soja im großen Stil in Regionen lohnenswert machen, die bislang von der Expansion der Agrarindustrie verschont geblieben waren. Im Fall vom Belo Monte Staudamm-Projekt sind verschiedene europäische Unternehmen involviert, unter ihnen auch deutsche, darunter Siemens und Voith Hydro. Es wird von Kritiker*innen bemängelt, dass diese Unternehmen nicht zur Genüge ihrer menschenrechtlichen Verantwortung nachkommen. Prüfungen über die Konsequenzen des Projektes wurden nicht ausreichend durchgeführt und keine diskreten Gespräche mit der protestierenden Bevölkerung gesucht. [1] [2]
Batterieherstellung: Förderung von Lithium
Lithium ist wegen des Umstieges auf Elektromobilität und der Priorisierung des Batteriebetriebes zu einem enorm nachgefragten Rohstoff geworden. Der Lithiumabbau ist jedoch problematisch im Hinblick auf seinen hohen Wasserverbrauch und weitere Auswirkungen auf die Umliegenden Ökosysteme. Chile ist der weltweit zweitgrößte Lithiumproduzent und der mit Abstand größte Exporteur von Lithiumkarbonat. Am Beispiel des Atacama-Salzsees kann man schon jetzt deutlich sehen, wie sehr die Umwelt bei der Gewinnung von Lithium leidet. Laut einer aktuellen Studie über die Auswirkungen von Lithium im Salzsee Atacama werden allein für die Lithium-Förderung circa 200 Millionen Liter Wasser pro Tag benötigt. Das schädigt Vogelarten und Mikrofauna und reduziert das verfügbare Wasser der angrenzenden Bevölkerung. Staub der Abraumhalden verbreitet sich in der Umwelt und kann die Gesundheit von Menschen und Tieren schädigen. Wegen des derzeitigen Lithiumbooms hat der chilenische Staat Anfang 2018 eine Verdreifachung der Fördermengen genehmigt. Die umliegenden Gemeinden, wurden in diese Entscheidung nicht einbezogen, sehen sich nicht an den Gewinnen beteiligt und fürchten stattdessen um ihre Wasserversorgung. [3]
Windkraft, Solaranlagen und Geothermie
Vor dem Hintergrund klimaschädlicher Staudämme sind Windräder und Solaranlagen umso wichtiger. Für ihre Herstellung werden jedoch mineralische Rohstoffe gebraucht, die in Zentralafrika und Südamerika abgebaut werden. Auch für diese Minen werden oft Menschen zwangsumgesiedelt oder müssen unter lebensgefährlichen Bedingungen arbeiten. Auch für Erdwärmeanlagen werden Umsiedlungsmaßnahmen vorgenommen, bei welchen die Bevölkerung nicht immer entschädigt wird. So ließ sich eine Gruppen Massai in Olkaria (Kenia) für solch ein Projekt umsiedeln, jedoch warten sie noch immer auf die Zuweisung eigener Landrechte an einem anderen Ort. [4]
Biosprit/Agrotreibstoffe
Schon seit mehr als 10 Jahren werden insbesondere im globalen Süden auf immer mehr Flächen Mais, Soya, Zuckerrohr angebaut, mit dem Ziel Biosprit zu produzieren um Europas Nachfrage zu befriedigen. Auch Ölpalmplantagen werden zu diesem Zweck gepflanzt. Teilweise werden solche Investitionen auch mit Entwicklungsgeldern aus Europa finanziert. Es sind häufig europäische Privatinvestoren aber auch Kreditanstalten, wie Pensionskassen, welche Geld in solche Plantagen investieren. In der Folge solcher Landkäufe, werden laut Menschenrechtsorganisationen wie FIAN die lokal ansässige Bevölkerung, welche zuvor von dem Land lebten, von der Nutzung dieses beraubt (häufig auch deshalb möglich, da sie über keine sicheren Landtitel verfügen).
Zwei Fallbeispiele aus Sierra Leone
In diesem Land wurden für ein Projekt des Schweizer Unternehmens Addax BioEnergy riesige Landflächen für mehrere Jahrzehnte verpachtet. Über die Hälfte des Projektes wurde durch Entwicklungsbanken aus Europa finanziert. Das dort im großen Stil gepflanzte Zuckerrohr wird in Bioethanol verwandelt. Leidtragender ist die lokale Bevölkerung, deren Recht auf Nahrung und Wasser verletzt wird. Die zwischen der Regierung Sierra Leones und dem Unternehmen ausgehandelten, langen Pachtverträge - zunächst 50 Jahre mit einer potenziellen Verlängerung um 20 Jahre - entziehen mehreren Generationen den Zugang zu Land und Wasser. [5]
Ebenfalls in Sierra Leone hat das multinationale Unternehmen SOCFIN seit 2011 mehr als 18.000 Hektar Land für industrielle Palmölplantagen im Süden von Sierra Leone (Malen Chiefdom, Bezirk Pujehun) erworben. Seitdem tobt ein Landkonflikt zwischen SOCFIN, den lokalen Behörden und den betroffenen Gemeinden. Seit Beginn der Tätigkeit von SOCFIN wurden die Gemeinschaften, die sich gegen das Landgeschäft wehrten, systematisch kriminalisiert. [6]
Was ist die Maßnahme?
Es ist zentral, dass alle beteiligten Akteur*innen eines Projektes, seien es die Regierungen der Länder, in denen das Projekt umgesetzt wird, die involvierten Unternehmen und Investor*innen als auch deren Heimatstaaten müssen ihren menschenrechtlichen Verpflichtungen nachkommen:
- Daher wäre eine wichtige Maßnahme, die Lieferketten von Unternehmen offenzulegen und menschenrechtlich zu prüfen -> Politiker*innen müssen zur Zustimmung des Lieferkettengesetzes, wie es von einem Zusammenschluss von NGO vorangebracht wird, überzeugt werden. Mehr Informationen: https://lieferkettengesetz.de
- Die Schaffung eines wirksamen und rechtsverbindlichen internationales Instrumentes, welches Konzernen und anderen Wirtschaftsunternehmen zwingt die Menschenrechten zu wahren und den von den Projekten negativ Betroffenen Klagemöglichkeiten in ihren Heimatländern als auch in den Ländern gibt, wo die Unternehmen ihren Sitz haben (siehe auch https://bindingtreaty.org/).
- Förderung dezentraler erneuerbarer Energieerzeugung, welcher der lokalen Bevölkerung auf verschiedene Weise zur Gute kommen (energetisch, finanziell) bzw. die möglichst die einer ökologisch intakten Umwelt zuträglich sind.
- Statt dem Ziel dieselbe Menge Autos und weitere Kraftfahrzeuge, wie sie heute existieren, mit Elektromotoren auszurüsten, die auf Lithium basieren, müssen Alternative Wege gefunden werden: eine Reduktion der Fahrzeuge, Car-Sharing-Modelle, Ausbau ÖPNV, Wasserkraftbrennstoffzellen etc.
- Zudem braucht es stärkere Verweise auf die Menschenrechte in den internationalen Klimaabkommen. Bisher gibt es diese kaum und wenn dann, wie in der Präambel des Pariser Abkommens, in nicht rechtsverbindlicher Form.
- Energieverbrauch weltweit reduzieren
Weiterführende Literatur, Quellen
- Lateinamerika Nachrichten und Gegenstroemung : GESTAUTE STRÖMEWASSERKRAFT: FLUCH ODER SEGEN FÜR LATEINAMERIKA? (2017, ) https://lateinamerika-nachrichten.de/wp-content/uploads/2017/07/PDF-Dossier-Wasserkraft-LN517_518_WEB.pdf
- Kleiber, Tina und Christian Russau (2014): Der Belo-Monte-Staudamm und die Rolle europäischer Konzerne, Berlin: Gegenstroemung,
- Powershift: Neue Rohstoffkapitel in EU-Handelsabkommen – eine Bestandsaufnahme (2019, ) https://power-shift.de/wirtschaftsinteressen-vor-umwelt-und-menschenrechten/
- FIAN Deutschland: Klimawandel und Menschenrechte. Die Folgen des Klimawandels für das Recht auf Nahrung und das Recht auf Wasser (2018, ) https://www.fian.de/fileadmin/user_upload/bilder_allgemein/Themen/Klima/FIAN_Klimabroschuere_2018_Web.pdf
- FIAN Österreich: Makeni – Sierra Leone: Land Grabbing für europäische Tanks (o.A., ) https://fian.at/de/faelle/sierra-leone-addax/
- FIAN Österreich: Sierra Leone: Landnahme durch Palmöl-Firma SOCFIN beenden (2019, ) https://fian.at/de/artikel/sierra-leone-landnahme-durch-palmol-firma-socfin-beenden/
Außerdem: Die Homepage der verschiedenen FIAN Sektionen (Deutschland, Österreich, Belgien) beeinhalten viele Studien, gerade zum Thema Landgrabbing für Agrotreibstoffe